H./Bayern. – Schlosser Harry B. (49) hatte einen Hilferuf gehört. Aus dem acht Meter hohen Bitumensilo. Ohne über die Gefahr nachzudenken, lief er rüber zum Silo und stieg ein. Dabei wurde ihm erst schwindelig. Dann stürzte er in die Tiefe.

 

„Harry und ich waren gerade dabei, die Siebmaschine zu reparieren“, erinnert sich Kollege Simon H. (39). „Dann hörten wir den Hilferuf aus einem der Bitumentanks. Wir wussten sofort, dass etwas passiert ist. Eine Tankreinigungsfirma hatte an diesem Morgen begonnen, die entleerten Silos zu reinigen. Ich bin gleich rüber zum Leitstand, um den Notruf abzusetzen. Harry ist raus zu den Tanks und die Steigleiter hoch. Wahrscheinlich hat er den verletzten Kollegen unten im Tank liegen sehen und ist gleich, ohne zu überlegen, da rein.“

 

„Retter müssen vorsichtig sein und auf den Eigenschutz achten.“

 

Was Harry nicht bedacht hatte: An den Wänden des Tanks befand sich frisches Bitumen. Über zwei Wochen waren die Silos leer und verschlossen gewesen. Dabei hatte sich Schwefelwasserstoff (H2S) angesammelt. Schon kleinere Mengen können in unbelüfteten Räumen zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Schwächegefühl führen. Vermutlich atmete der Mitarbeiter der Tankreinigungsfirma die Dämpfe beim Hinabsteigen ein, verlor den Halt an der Leiter und stürzte auf den Boden des Tanks. Dort begann er um Hilfe zu rufen. Als Harry ihm helfen wollte, passierte ihm genau dasselbe – allerdings aus größerer Höhe.

 

„Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, Notfälle in Behältern, Silos und engen Räumen praktisch im Betrieb zu üben“, so die zuständige Aufsichtsperson. „Retter müssen vorsichtig sein und auf den Eigenschutz achten. Herr B. hatte nicht bedacht, dass sich Gefahrstoffe im Silo befinden könnten und dass er sich beim Betreten des Bitumentanks selbst gefährden würde. Schwefelwasserstoff ist ein äußerst giftiges Gas, das sehr schnell zum Tod führen kann. Herr B. hätte bei der Rettung Atemschutz tragen müssen und nur angeseilt in den Bitumentank einsteigen dürfen. Ein Kollege hätte draußen als Sicherungsposten Kontakt zu ihm halten und ihn absichern müssen.“

Kurz & knapp

  • Arbeitsplatz-Check vor Arbeitsbeginn machen: Gibt es Gefahren durch Reststoffe, giftige Gase in Behältern, Silos, engen Räumen? Um welche Stoffe, Gase handelt es sich und welche Schutzmaßnahmen sind umzusetzen?
  • Sind alle Beteiligten diesbezüglich informiert und unterwiesen?
  • Behälter, Silos, Tanks vor und während der Arbeit ausreichend lüften.
  • Durch Freimessen die Bildung von giftigen Gasen vor und während der Arbeiten überwachen, ggf. Atemschutz tragen.
  • Im Notfall besonders an das Absichern und den Eigenschutz denken.