H./Niedersachsen. – Welche Verschleißbleche sind durchgerostet? Und wo müssen Löcher zugeschweißt werden? Zur Winterreparatur arbeitete Schlosser Willi Z. (48) im Silo. Er stand dabei auf dem darin befindlichen Restsand und gab Anweisungen per Walkie-Talkie an den Mischmeister. Nach und nach wurde der Sand abgelassen. Und Willi arbeitete sich weiter nach unten. Bis sich der fest erscheinende Sand in etwas Fließendes verwandelte und Willi gnadenlos mitzog.

 

Willis Hilferuf war im ganzen Silo zu hören. Kollege Marek P. (37) stand als Sicherungsposten oben auf dem Laufsteg. Doch im dunklen Silo konnte er kaum etwas erkennen. So stieg er in die Silokammer ein, fand jedoch weder Willi noch das Walkie-Talkie. Daraufhin lief Marek ins Mischmeisterbüro und informierte die Kollegen, dass Willi „durch das Silo durchgerutscht“ sei. Luis D. (28) kam sofort mit und kletterte ungesichert ins Silo hinunter, um Willi auszugraben. Als er bemerkte, dass weiterhin Sand abfloss, kletterte er wieder hinauf und rannte zurück in den Mischmeisterraum. Der Raum war leer, die Anlage ohne Steuerspannung. Und die unter dem Silo befindliche Materialwaage zeigte 4,4 t an. Das hieß, sie war zu diesem Zeitpunkt bereits vollständig mit Sand gefüllt.

 

„Ungesichert auf dem Sand zu stehen, war enorm riskant.“

 

Wem gehört der dritte Schuh?

Es dauerte nicht lang, dann trafen die alarmierten Rettungskräfte ein. Nacheinander wurden die Schieber des Wiegebehälters geöffnet. Im Laufe der Bergung ertasteten die Retter die beiden Schuhe von Willi. Und, was höchst alarmierend war: auch noch einen dritten Schuh. Wie sich leider herausstellte, hatte der Mischmeister per Hand den Schieber der Silokammer geöffnet, wo der Sand in den Wiegebehälter fällt. Dann war er mittels einer innen anliegenden Leiter in den Wiegebehälter geklettert, um Willi zu helfen. Dabei wurde er vom nachrutschenden Sand aus dem Silo, dessen Schieber ja geöffnet war, verschüttet. Der Sand rutschte so lange nach, bis der Wiegebehälter vollständig gefüllt war und sich in das Silo zurückstaute. Beide Mitarbeiter wurden schwer verletzt geborgen, verstarben aber später in der Klinik.

„Herr Z. arbeitete im Silo ohne PSA gegen Absturz ohne Seilsicherung und ohne Siloeinfahreinrichtung. Die Betonmischanlage hätte abgeschaltet und mit einem Schloss gegen Wiedereinschalten gesichert, die Druckluftzufuhr für die Siloschieber abgesperrt werden müssen“, so die zuständige Aufsichtsperson. „Für Arbeiten in Silos sind Siloeinfahreinrichtungen und Anseilgeschirr zu verwenden. Ein hochziehbares Personenaufnahmemittel bzw. eine Siloeinfahreinrichtung standen allerdings nicht zur Verfügung. Am Unfalltag hatten die Beschäftigten also gar keine Möglichkeit, sicher und nach Vorschrift zu arbeiten. Des Weiteren dürfen Siloschieber im Falle eines Unfalls nicht geöffnet werden. Der Schieber war vom Mischmeister per Hand geöffnet worden. Ein Kollege schaltete dann die Steuerspannung der Anlage komplett ab. Das führte jedoch dazu, dass der von Hand geöffnete Schieber nach dem Abschalten offen blieb. Und der Sand weiter in den Wiegebehälter floss. Während der Rettungsaktion wurde dieser mittels eines Bretts verschlossen. Außerdem hatte Herr P. als Sicherungsposten kein Funkgerät. Er konnte keine Hilfe anfordern, nicht veranlassen, dass das Silo abgeschaltet wird und auch nicht Herrn Z. aus dem Silo hochziehen. Es ist verboten, ungesichert auf dem Sand zu stehen und diesen abzulassen, um in die tiefer gelegenen Siloabschnitte zu gelangen. Bei allen Beteiligten ist von Wissensdefiziten auszugehen. Der Unfall zeigt darüber hinaus, dass Verantwortlichkeiten und Zwischenkontrollen nicht geregelt waren. Außerdem gab es keinen Koordinator und die Abstimmung funktionierte nicht.“

Kurz & knapp

  • Arbeiten in Silos, Behältern und engen Räumen nur mit Erlaubnisschein durchführen. Alle darin enthaltenen Schutzmaßnahmen umsetzen.
  • Alle Antriebe, Füll- und Entnahmeeinrichtungen abschalten und mit Schloss gegen Wiedereinschalten sichern.
  • Zu- und Ableitungen wirksam unterbrechen und absperren, z. B. mit Steckscheiben. Gefährliche Restenergien ablassen.
  • Vor Beginn der Arbeiten Behälter, Silos und enge Räume entleeren und reinigen.
  • Sichere Zugänge benutzen wie z. B. Einstiege, fest installierte Leitern.
  • Geeignete Schutzmaßnahmen gegen Versinken oder Verschütten nutzen wie Siloeinfahreinrichtungen, Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz an sicheren Anschlagpunkten.
  • Schüttungen nie ohne Sicherung betreten (Gefahr durch Hohlräume, Brückenbildung).
  • Nicht unterhalb von anstehenden oder anhaftenden Schüttgütern stehen (Gefahr von herabfallendem Material).
  • Arbeitsstelle absichern und mit Funkgerät ausgestatteten Sicherungsposten einsetzen, der Rettungsmaßnahmen einleiten kann.