Wer hier zur Arbeit fahren will, muss pünktlich sein. Denn jeden Tag verschwindet dieser Arbeitsweg zweimal im Atlantik.

 

Die 4,5 km lange Straße „Passage du Gois“ liegt im Westen Frankreichs zwischen der Insel Île de Noirmoutier und der Gemeinde Beauvoir-sur-Mer. Sie ist gezeitenabhängig nur bei Ebbe befahrbar. Bis ins 18. Jahrhundert gingen die Menschen zu Fuß über die Sandbänke zum Festland und zurück. Dies erforderte Ortskenntnis und war risikoreich. Dann wurde eine gut befahrbare Straße mit Pflastersteinen gebaut. Ein Gezeitenplan gibt an, wann die Straße befahren werden kann. Mit zunehmendem Autoverkehr wurde die Passage immer öfter benutzt. 1970 waren es rund 910.000 Überquerungen pro Jahr. Zu viel für die kleine Straße. Und so entstand als Alternative eine Brücke vom Festland zur Insel. Trotz der Umgehung blieb die Passage du Gois eine gut befahrbare Straße – allerdings immer wieder mit rutschigen Algen und Schlick überzogen.

Bei Flut kommt das Wasser enorm schnell. Wer die gewaltigen Kräfte unterschätzt, kann sich auf eine der drei Rettungsinseln flüchten, die mit je einer Plattform ausgestattet sind. Entlang der Straße gibt es weitere sechs Masten mit Sprossen, die sogenannten Papageienstangen, für Menschen, die von der Flut überrascht werden. Einmal pro Jahr feiern die Franzosen ihren alten Arbeitsweg mit einem Wettrennen gegen das Meer. Zweieinhalb Stunden nach Niedrigwasser geht es los. Dann hat die Flut die Fahrbahn erreicht. Der aktuelle Rekord liegt bei 12 Minuten und 8 Sekunden.